Ein Beitrag von
Horst Dornbusch
Gründer
Cerevisia Communications
Der Klimawandel bedroht den Anbau von Hopfen und Gerste. Modernste genetische Techniken geben jedoch Anlass zum Optimismus, da wir nun Gene verschiedener Sorten gezielt und strategisch kombinieren können, um neue, klimaresistente Hopfen- und Gerstensorten zu züchten.
Veröffentlicht am 20/11/2024
Ein Beitrag von
Horst Dornbusch
Gründer
Cerevisia Communications
Die weltweite Einstellung zum Klimawandel hat sich seit der Jahrtausendwende drastisch verändert. Während vor nur einem Jahrzehnt noch viele Politiker und sogar Wissenschaftler darauf beharrten, dass der Klimawandel ein Schwindel sei, herrscht heute nahezu komplette Übereinstimmung, dass er bereits da ist und eine ernsthafte Bedrohung für das Überleben aller wilden und domestizierten Flora und Fauna auf der Erde darstellt. Inzwischen beschleunigt sich das Aussterben von Arten, weil die Umwelt sich schneller verändert, als die dort lebenden Pflanzen und Lebewesen sich anpassen können; und viele Terroirs verändern sich. Es sei denn, die Menschen ändern sofort ihren von Kohlenstoff angetriebenen modernen Lebensstil, was niemand erwartet.
Der Klimawandel gefährdet inzwischen die gesamte menschliche Nahrungskette, einschließlich der landwirtschaftlichen Braurohstoffe, weshalb viele Klimaprognosen heutzutage eher düster klingen. Jedoch gibt es trotzdem einen Hoffnungsschimmer; und das ist die moderne Genetik mit ihrer Fähigkeit, mit Hilfe bahnbrechender Technologien neue, klimaresistente Nutzpflanzen zu züchten.
Zum Glück gibt es immer noch eine riesige Vielfalt an Genen, die in modernen domestizierten Nutzpflanzen, in mehreren wieder ins Leben berufenen historischen Sorten sowie in deren wilden Vorfahren und sogar in ausgestorbenen Arten noch vorhanden sind, denn viel genetisches Material liegt sorgfältig gepflegt in weltweiten Saatgutbanken. Diese Quellen stellen ein ungeheures Reservoir genetischer Vielfalt dar, welches es uns ermöglicht, neue Sorten mit verbesserter Resistenz gegen verschiedene neue, vom Wetter und von Parasiten bewirkte Stresse zu entwickeln. Auch haben wir das Glück, dass die Anzahl der in den Genomen der Pflanzen enthaltenen Gene normalerweise recht groß ist, wobei die Erdbeere mit ihren mehr als 100.000 Genen an der Spitze liegt, während eine typische Hopfensorte schätzungsweise 75.000 Gene aufweist und ein Gerstensorte etwa 30.000 bis 45.000.
Genetiker machen derzeit nicht nur Riesenfortschritte in der Identifizierung und Namensgebung von Genen, sondern auch in der Verknüpfung vieler Gene mit deren spezifischen und beobachtbaren phänotypischen Merkmalen. Darüber hinaus konnten sie in vielen Pflanzen die genauen Positionen vieler Gene innerhalb der Struktur des genetischen Materials bestimmen. Da sich viele Pflanzen, darunter auch Hopfen und Gerste, an viele unterschiedliche Terroirs angepasst haben – entweder durch gezielte menschliche Selektion, durch natürliche Mutationen oder durch beides – besteht nun eine fast unbegrenzte Möglichkeit, durch Marker-gesteuerte Hybridisierungen neue Sorten mit bestimmten Merkmalen zu kreuzen. Angesichts des Klimawandels ist es daher heutzutage das Ziel der Züchter, neue Pflanzen mit höherer Nährstoffeffizienz, Dürreresistenz, sowie Resistenz oder Toleranz gegen Schädlinge zu erzeugen; und gleichzeitig hohe landwirtschaftliche Erträge zu gewährleisten.
Rein theoretisch kann man argumentieren, dass all diese Bemühungen auf eine u.U. unlautere genetische Manipulation hinauslaufen. Dennoch gibt es unterschiedliche, auf die angewandten Verfahren beruhende, ethische und politisch-rechtliche Bewertungen der Ergebnisse. So gelten im Labor erzeugte hybride Pflanzen generell nicht als problematisch, da solche Kreuzungen auch ohne menschliches Zutun in der Natur vorkommen können. Problematischer wird es jedoch, so argumentieren einige, wenn Züchter in Genome eingreifen, um gezielt erwünschte Gene hinzufügen oder unerwünschte zu entfernen, statt wie bei der Hybridisierung ganze Gen Sätze aus mehreren Quellen in der Hoffnung zu mischen, dass dabei am Ende eine günstige Genkombination herauskommt. Doch scheuen sich Gesetzgeber auf der ganzen Welt, den Anbau und die Nutzung solcher Pflanzen zu regulieren. Jedoch ist die nächste Stufe der genetischen Manipulation, die Schaffung sogenannter gentechnisch veränderter Organismen (GVO), inzwischen zu einem politischen und philosophischen Brennpunkt geworden, unter anderem, weil sie die Entwicklung von Organismen zulässt, die die Natur wahrscheinlich nicht erzeugen würde.
Es überrascht daher nicht, dass es Regierungen schwerfällt, den richtigen Ansatz zu GVOs zu finden. So haben z.B. die Gesetzgeber in den Vereinigten Staaten eine relativ entspannte Haltung zu GVOs. Sie argumentieren, dass sich die Zusammensetzung solcher Organismen nicht grundsätzlich von der konventioneller Organismen unterscheidet. Die Europäische Union verfolgt hingegen eine viel restriktivere Politik. Dort wird argumentiert, dass die potenziellen Risiken von GVOs für die Umwelt und die menschliche Gesundheit nicht vollständig bekannt sind, weshalb der Prozess der Herstellung von GVOs streng reguliert werden soll. Dies erfordert, dass Züchter und Anwender eines neuen, auf dem genetischen „Reißbrett“ konzipierten Organismus zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Bevölkerung den Behörden im Voraus beweisen, dass sie unbedenklich sind, besonders wenn er für menschlichen Nahrungskette bestimmt ist.
Es ist allgemein akzeptiert, dass der Hopfen ursprünglich aus Ostasien stammt und sich von dort in verschiedene Richtungen verbreitete, wo er sich an verschiedene Terroirs anpasste. So gibt es eine wilde Sorte, H. lupulus cordifolius, die in Japan heimisch ist. Ebenso überquerte Humulus Beringia, die vorübergehende Landbrücke zwischen Asien und Nordamerika, und entwickelte sich in drei dort einheimischen Sorten. Diese sind H. lupulus neomexicanus in der Cordillera-Bergkette entlang der Pazifikküste Kanadas und den Vereinigten Staaten; H. lupulus pubescens, eine Sorte, die sich im Mittleren Westen der USA und in den kanadischen Prärie Provinzen niederließ; sowie H. lupulus lupuloides, welche in Mittel- und Ost-Nordamerika Fuß fasste. Schließlich gibt es noch einen fünften Zweig, H. lupulus lupulus. Dieser wanderte von Asien westwärts durch das Kaukasusgebirge nach Europa, wo er zum Vorläufer unserer heute am meisten beim Brauen verwendeten Hopfensorten wurde.
Obwohl keiner der wilden Humulus-Sorten wegen deren unangenehme Bittere und Aromen zum Brauen geeignet ist, enthalten sie dennoch viele nützliche Resistenzgene, die in unseren domestizierten Sorten nicht zu finden sind. Dies macht sie zu attraktiven Genpools für die Entwicklung neuer klimaresistenter Sorten. Das ist jedoch nichts Neues, da Kreuzungen zwischen wilden und domestizierten Hopfensorten in der Natur schon immer vorkommen. So vermuten wir beispielsweise, dass Cluster, eine Sorte, die noch heute beim Brauen verwendet wird, das Ergebnis einer Bestäubung durch einheimischen Wildhopfen von einer europäischen Kultursorte, die von englischen und niederländischen Siedlern angebaut wurde.
Das Suntory Global Innovation Center in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Hopfenforschungsinstitut veröffentlichte 2015 die erste Genombeschreibung einer Hopfensorte, Saaz. Seither sind bei der Genomsequenzierung vieler anderer Sorten zügige Fortschritte zu verzeichnen. Obwohl nicht klar ist, wie viele wilde, verwilderte und domestizierte Hopfensorten es heute gibt, besteht Einigkeit darüber, dass derzeit etwa 250 bis 300 Hopfensorten kommerziell erhältlich sind; und jede davon hat ihren individuellen Gen Satz. Somit ist die Anzahl der genetischen Hybride, die Hopfenzüchter sich ausdenken können, theoretisch unbegrenzt und wird nur in der Praxis durch die hohen Kosten für Kreuzung, Tests und die endliche Selektion neuer Basisrhizome über aufeinanderfolgende Pflanzengenerationen hinweg begrenzt. Wie die Erfahrung zeigt, dauert es derzeit durchschnittlich ein Jahrzehnt, bis eine neue Sorte vom Labor in den kommerziellen Anbau kommt.
Die erste Genomsequenzierung einer Gerstensorte wurde schon 2006 vom International Barley Genome Sequencing Consortium durchgeführt; und diese Arbeiten sind bei Weitem noch nicht abgeschlossen. Dennoch bekommen Züchter, genau wie beim Hopfen, bereits immer ausgefeiltere Techniken in die Hand, mit denen sie die Gene von weltweit schätzungsweise 4.000 Gerstensorten genau lokalisieren und identifizieren können, um deren Eigenschaften und Funktionen zu verstehen. Damit machen die Züchter heute enorme Fortschritte in ihrem Bestreben, neue Gerstensorten mit neuen Genomen zu komponieren, von denen wir hoffen, dass sie den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen sind und gleichzeitig die Qualität unseres Bieres auch für die Zukunft sichern.
Besucher, die sich näher über das Thema Züchtung neuer Braugersten informieren möchten, sind eingeladen, an einer moderierten Expertendiskussion über die modernsten Methoden der Gerstenzüchtung im Rahmen der BrauBeviale 2024 in Nürnberg teilzunehmen. Der Event wird am Donnerstag, den 28. November, von 12:00 bis 13:30 Uhr im Forum Rohstoffe in Halle 1, Stand 1-150 stattfinden.
Elva Ellen Kowald ist Co-Autorin dieses Artikels.
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