Ein Beitrag von
Elva Ellen Kowald
Partnerin
Cerevisia Communications
Klimawandel und Getränkerohstoffe
Bei der Patentierbarkeit von Pflanzensorten gibt es eine Hierarchie der Identifikationsmethoden, welche von rein natürlichen Landrassen, die nicht patentierbar sind, zu völlig unnatürlichen Sorten, wie GVO-Sorten, die patentierbar sind, fortschreitet. Es ist die Grauzone der Gen-Editierung, die Kontroversen auslöst. Ein Rechtsstreit um die Patentierung von Gerste vor dem Europäischen Patentamt (EPA) lässt erahnen, welche weitreichenden Folgen dies für die Brauindustrie haben kann.
Veröffentlicht am 05/06/2024
Ein Beitrag von
Elva Ellen Kowald
Partnerin
Cerevisia Communications
Am 10. Mai 2022 gewann ein Konsortium aus Carlsberg und Heineken, sowie deren Partner und Tochtergesellschaften, vor dem Europäischen Patentamt (EPA) einen langwierigen Rechtsstreit um drei ursprünglich im Jahr 2016 erteilte Patente. [1] Die ersten beiden Patente waren für aus konventionell gezüchteten Gerstensorten hergestellte Getränke. Das Konsortium hat diese neuen Gersten mit Hilfe einer seitdem als FIND-IT (siehe weiter unten in diesem Artikel) bezeichneten Technik entwickelt, die es ermöglicht, genetische Zufallsvarianten schnell zu identifizieren. Eine der neuen Gersten wurde ausgewählt, da sie geringere Mengen des am Geschmack von gekochtem Mais erinnernden Dimethylsulfid (DMS) produziert. Die andere Sorte enthält weniger Lipoxygenase (LOX). Dieses Enzym produziert Trans-2-Nonenal (T2T), was für den Geschmack von Pappe und nassem Papier in alternden Bieren verantwortlich ist. Das dritte Patent war für ein energiesparendes Brauverfahren mit diesen Gerstensorten.
Die Entscheidung des EPA löste heftigen Widerstand in der Industrie, der Politik und den Medien aus, da eine Brauerei, der die exklusive Verwendung dieser neuen Gertensorten gewährt wird, natürlich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz – oder wenigsten eine gewaltige Profitmöglichkeit durch Lizenzierung – hat. Daher protestierte eine Vereinigung von 40 Organisationen aus ganz Mitteleuropa energisch gegen den EPA Beschluss. Das Argument: Konventionell gezüchtete, mutierte Pflanzen und die damit gebrauten Biere können nicht als „Erfindung“ bezeichnet werden! [2] Eine NGO namens „No Patents on Seeds!“ schrieb in einer Pressemitteilung, „dass genetische Zufallsvarianten nicht die Bedingungen einer technischen Erfindung erfüllen. Wenn Patente auf konventionelle Züchtungen erteilt werden, können die Patentinhaber den Zugang zur biologischen Vielfalt in einer Weise blockieren oder behindern, die die traditionelle Züchtung unmöglich macht. Dies wird Konsequenzen für die Pflanzenzüchtung, die Lebensmittelproduktion und die Verbraucher haben.” [3]
Eine weitere große Sorge bereitet die wachsende Bestrebung einiger multinationaler Konzerne, in vielen Lebensmittel Branchen immer breitere rechtliche Kontrollen über das Saatgut und damit die landwirtschaftlichen Rohstoffe an sich zu reißen. Als Paradebeispiele dafür gelten die vier Unternehmen Bayer, DowDupont/Corteve, ChemChinaSyngenta und BASF, die zusammen bereits mehr als 60 Prozent des weltweiten Saatgutmarktes beherrschen. [4] Da Heineken und Carlsberg die zweit- bzw. viertgrößten Brauereien der Welt sind, befürchten einige Gegner der EPA-Entscheidung, dass diese beiden Brauriesen durch ihre Zusammenarbeit auf der Basis ihrer Patente „eine marktbeherrschende Stellung erreichen können, denn gemeinsam können diese Konzerne ihren Lieferanten vorschreiben, dass sie nur noch die patentierten Gersten anbauen dürfen. So können sie gleich zweimal verdienen – am Verkauf des Biers und am Anbau der Gersten!“ [5] Mit anderen Worten, diese Unternehmen wären dann nicht mehr nur Brauereien, sondern auch bedeutende Akteure in ihren eigenen Rohstoffketten.
Obwohl die EPO-Entscheidung von 2022 das letzte Wort in der Sache Carlsberg-Heineken war, war sie nicht das Ende der Kontroverse. Im Gegenteil, sie führte zu einer Zunahme der Patentanmeldungen im Bereich der Biotechnologie. Gleichzeitig verhärteten sie auch die Argumente der Opposition. Laut der World Intellectual Property Organization ist ein Patent „ein ausschließliches Recht, das für eine Erfindung gewährt wird, bei der es sich um ein Produkt oder einen Prozess handelt, der allgemein eine neue Möglichkeit, etwas zu tun, oder eine neue technische Lösung bietet.“ Damit ist ein Patent für einen Staubsauger oder ein Design eines Möbelstücks nicht das Gleiche wie Urheberrechte auf einen lebenden Organismus. Das wäre für Patente ein schlüpfriger Pfad, denn es wirft die Frage auf, ob die von den Carlsberg-Heineken Wissenschaftlern entwickelten Gerstensorten tatsächlich „Erfindungen“ oder nur natürliche neuen Gerstensorten sind.
Die moderne Züchtung von Nutzpflanzen und Tieren verwendet heutzutage eine Hierarchie unterschiedlicher, oft nicht ganz sauber voneinander abgrenzbarer Methoden, mit denen sie sich immer weiter von der reinen Natur entfernet.
In seiner Entscheidung im 2022 betonte das EPA, dass die von Carlsberg-Heineken entwickelte Methode, schnell konventionelle, optimal zum Brauen geignete Gerstenstämme zu identifizieren, keine Erfindung sei, da sie auf der „nicht gentechnisch verändernden Züchtungsmethode FIND-IT [beruht], welche ein Akronym für Fast Identification of Nucleotide Variants by droplet DigiTaL PCR (Polymerase-Kettenreaktion) ist.“ [7] Wie in der Fachzeitschrift Seed World beschrieben, bündelt das FIND-IT-System und sortiert dann „große Variantenpopulationen mit geringer Mutationsdichte […], um gewünschte Merkmale zu identifizieren. Ein solcher Screening-Zyklus ist innerhalb von 10 Tagen möglich. Während herkömmliche Mutationsbibliotheken etwa 3.000 bis 5.000 Pflanzen umfassen, umfasst eine FIND-IT-Population mehrere Hunderttausende.“ [8] In diesem Artikel wird Toni Wendt, einer der Miterfinder der Methode, zitiert: „Mit FIND-IT können wir so schnell auf bestimmte Mutationen zugereifen, dass wir unsere Merkmalshypothese direkt an echten Pflanzen testen konnten, statt Zeit damit zu verbringen, zu diskutieren, welche Mutationen die höchsten Wahrscheinlichkeiten haben, unseren Zwecken zu dienen [...]. Dies steigert unsere Forschungseffizienz dramatisch.“ [9] Eine technische Erklärung der FIND-IT Metode befindet sich in der Science Advances Ausgabe vom 24. August 2022. [10]
Die vielleicht wichtigste Frage, die das FIND-IT-System als Mutations-„Identifikations-Beschleuniger“ aufwirft, ist folgende: Ist das Ergebnis immer noch nur eine Simulation eines theoretisch möglichen natürlichen und damit nicht patentierbaren Prozesses, oder handelt es sich bereits um Gentechnik und damit um eine patentierbare „Erfindung“? Diese Kontroverse ist noch nicht vollkomen geklärt, aber wo wir am Ende die Grenzen ziehen, wird weitreichende wirtschaftliche Folgen für die gesamte Brauindustrie haben.
[1] Pressemitteilung: Patent on barley and beer upheld,” No Patents on Seeds! 10. Mai, 2022
[2] “Patents on beer: The brewing companies Carlsberg and Heineken want a market monopoly,” No Patents on Beer.org
[3] Pressemitteilung: Patent on barley and beer upheld,” No Patents on Seeds! 10. Mai, 2022
[4] Marin Scotten, “Laying claim to nature’s work: plant patents grow fear among small growers,” The Guardian, 25. Januar, 2024
[5] “Keine Patente Auf Bier!” Webseite. http://www.no-patents-on-beer.org/de/hintergrund/patente-bier
[6] “Patent on Brewing Barkey: Still no clarity in the granting of bio patents,” Kather Augenstein, Düsseldorf, katheraugenstein.com
[7] “Carlsberg Research Lab invents a new ultra-fast breeding technology to develop the crops of the future,” Carlsberg Breweries A/S Pressemitteilung, 26. August, 2022
[8] Treena Hein, “Conventional Breeding... With a High-Tech Twist,” Seed World, 12. Dezember, 2023
[9] Ibid.
[10] Søren Knudsen + 30 Autoren, “FIND-IT: Accelerated trait development for a green evolution,” Science Advances, 24. August, 2022. Online: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abq2266
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