women4beverages: Bio-Winzerin Eva Vollmer

Sie ist die erste Winzerin in Rheinhessen, deren Name für das Weingut und auf den Etiketten ihrer Abfüllungen steht. Und sie hat die Zukunftsweine GmbH initiiert und mitgegründet, eine Vermarktungsgesellschaft für nachhaltigen Weinbau – Eva Vollmer ist wahrlich eine Frau, die die Branche verändert. Kürzlich war sie zu Gast auf einem Online-Event von women4beverages. Zeit diese inspirierende Winzerin näher kennenzulernen.

Veröffentlicht am 20/08/2024

Marketing & Vertrieb
Rohstoffe
Wein, Sekt

Ein Beitrag von

Sylvia Kopp

Autorin, Trainerin, Beraterin

Vom Weinberg bis zur Vermarktung

Als „Marketing-Denkmal“, bloßes Aushängeschild für ihre Marke, wollte sich Vollmer nie verstanden wissen. „Diese Rolle habe ich nie eingesehen und auch nie angenommen“, sagt die Bio-Winzerin aus Mainz-Ebersheim. Auf ihrem Weingut teilt Vollmer sich mit ihrem Mann Robert Wagner die Aufgaben des landwirtschaftlichen Mischbetriebes. Geradezu klassisch: Wagner ist verantwortlich für alle technischen Belange und die Arbeit mit den Maschinen am Berg und auf den Feldern. „Ich bin auf dem Traktor nicht effizient“, gibt Vollmer zu. Dafür geht ihr die Dokumentation für die Bio-Zertifizierung leichter von der Hand. Vor allem aber führt Vollmer die Regie in der Weinwirtschaft. So koordiniert sie die Handarbeit im Weinberg, die wichtig für die Erntequalität ist, und leitet die Arbeit im Keller, wo sie mit sensorischem Können ihre Weine ausbaut. „Ich mache alles“, sagt sie, „bis hin zur Vermarktung.“ 

Das Weingut gründete sie 2007 zusammen mit ihrem Partner. Die beiden übernahmen 11 Hektar Rebflächen aus dem landwirtschaftlichen Mischbetrieb von Evas Eltern, die bis dato ihre gesamte Traubenernte an eine Winzergenossenschaft lieferten. Von der Pike auf etablierten die Neugründer ihre Weinproduktion: errichteten Gebäude, kauften Ausrüstung, installierten die Kellertechnik. „Wir durften uns frei entfalten, brauchten beim Markenaufbau keine alten Etiketten zu berücksichtigen, hatten aber auch null Kunden“, so Vollmer. Im ersten Jahr füllten sie 4500 Flaschen ab, mittlerweile liegen sie bei 70.000. „Wir sind klein“, sagt sie, „aber selbstbestimmt.“ Das Weingut arbeitet mit ausgewählten Partnern zusammen und direkt mit Endverbrauchern ab Hof oder per Online-Bestellung.

Für den professionellen Markenaufbau wandte sich Vollmer an eine Agentur, „die die tiefen Benefits herausgearbeitet hat, die im Betrieb Eva Vollmer wohnen. Und meine kreative Energie nach Außen übersetzen.“ Herausgekommen ist ein Auftritt der ebenso authentisch wie erfrischend ist, direkt und unverblümt und doch attraktiv. Der Markenauftritt ist auf Eva Vollmer zugeschnitten. Dabei kommt es ihr jedoch nicht auf  die Sichtbarkeit ihrer Person an, sondern um die Sache an sich: ihre Weine, das Weingut und die Ausrichtung ihres Betriebes. Als weibliche Pionierin im Weinbau möchte sie sich nicht positionieren – aus Respekt: „In den Generationen vor mir gab es extrem coole Frauen, die mit ihren Weinen Statements gesetzt haben, auch wenn der Name des Vaters oder des Ehemannes auf dem Etikett stand.“

Konventionell vs. ökologisch

Stärker noch als die Verteidigung der patriarchalen Strukturen im Weinbau sei der Kampf zwischen konventionell und ökologisch. „Öko taugt nichts“, laute die weitverbreitete Meinung in der Branche. Noch dazu gelte, „dass alles, was neu ist, echt schlecht ist“, so Vollmer. Dabei war dem Gründern-Duo Vollmer/Wagner von Anfang an klar, dass sie den Hof ökologisch betreiben. Das Weingut ist seit 2007 bio-zertifiziert. Etwas Know-How brachte Vollmer aus ihrem Studium mit. Sie absolvierte an der berühmten Wein-Universität in Geisenheim ein Oenologiestudium und promovierte 2007 zum Thema „Pflanzenschutz im Steillagenweinbau“. Ihr Studienjahrgang war der erste mit einer Vorlesung zum ökologischen Anbau. So arbeitet Vollmer mit Zwischenfrucht, um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln so gering wie möglich zu halten. „Statt Sportplatzrasen erlebt man bei uns das blühende Wunder zwischen den Reben“, sagt sie. Die Pflanzen tragen dazu bei, dass der Boden mehr Wasser speichert und sich mit Nährstoffen anreichert. Dies steigert die Abwehrkräfte der Reben gegen Krankheiten und Schädlinge. Die „Kraut-und-Rüben-Kultur“ verwandelt die Monokulturflächen zudem in ein bio-diverses Paradies.

2017, als der Vater in Rente ging, übernahmen Vollmer und Wagner den gesamten landwirtschaftlichen Hof mit Getreideanbau. Im selben Jahr erlangte der Betrieb die Bio-Zertifizierung. An der Kreislaufwirtschaft, auf die der Hof ausgerichtet ist, beteiligen sich mittlerweile sogar Bienenvölker sowie 16 Pferde, die den Dung für die Böden liefern und die Kinder vom örtlichen Voltigierverein glücklich machen. Soziale Verantwortung und naturnaher Anbau – alles ist verbunden.

Zukunftsweine: Wie macht man PIWI Reben salonfähig?

Mit ihrer Rebenpalette feiert Vollmer die Tradition und fördert die Moderne. Neben konventionellen Sorten wie Riesling, Dornfelder oder Spätburgunder baut sie auch die ehemals verschollene historische Sorte Roter Riesling an, die gut unter den örtlichen Bedingungen gedeiht. Seit 2016 wächst auch Souvignier Gris auf Vollmers Flächen, eine der neuen resistenten Züchtung, auch PIWI (pilzwiderstandsfähig) genannt. Diese Sorte stellte Vollmer allerdings gleich vor mehrere Probleme: „Kein Mensch kennt sie, sie hat kein Standing in der Branche, keine Power im Regal und verursacht beim Verbraucher nur Fragezeichen.“ Die Kategorie  „PIWI“ sei auch nicht wirklich hilfreich, so Vollmer: „Man fällt quasi mit dem Pilz und der Resistenz ins Haus.“ – Hart, aber wahr. Dabei sei der größte Vorteil der PIWI-Reben, dass man damit 80 Prozent an Pflanzenschutzmitteln einsparen kann. „Diese Neuzüchtungen sind gigantisch für den Bio-Weinbau, gigantisch für die Biodiversität und gigantisch für die Geschmackswelt“, sagt sie, „sie sind Grauburgunder und Co. ebenbürtig und legen teilweise sogar noch eine Schippe drauf.“ 

Glücklicherweise kam Vollmer das Wort „Zukunftsweine“ in den Sinn. Ihre Marken-Agentur war begeistert, ihre Freundin und Weinbau-Quereinsteigerin Hanneke Schönhals auch. Damit öffnete sich das Tor zum Anbau resistenter Sorten: „Es gibt sie seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Kein Mensch hat sich bisher an ihre größte Schwachstelle gemacht, nämlich die Vermarktung“, betont Vollmer. So gründete sie 2016 zusammen mit Schönhals und weiteren Begeisterten die Zukunftsweine GmbH, die sich für die Vermarktung von Weinen aus nachhaltigem Anbau engagiert. 

Zukunftsweine richtet sich nicht ausschließlich an bio-zertifizierten Betriebe. Die Vermarktungsgesellschaft versteht sich als Einladung zu einem Entwicklungsprozess, bei dem sich auch kleine landwirtschaftliche Weinbaubetriebe Schritt für Schritt in Richtung Nachhaltigkeit ausrichten können. „Wir sind eine offene Bewegung. Wir grenzen niemanden aus. Wir verstehen uns als Plattform für alle Betriebe, die den Anteil robuster Reben erhöhen möchten“, so Vollmer. Denn das Pflanzen neuer Reben ist eine Investition auf lange Sicht. „In den ersten drei Jahren bringen neue Reben null Erträge“, so Vollmer. Auch sei ein gewisses Risiko damit verbunden, weil es kaum Erfahrungen mit den Sorten gebe. 

70 Weinbaubetriebe aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Luxemburg haben sich der Zukunftsweine GmbH bereits angeschlossen. Bisher werden auf 3,8 Prozent der Weinbaufläche in Deutschland resistente Sorten angebaut. 2022 bekam die Zukunftsweine GmbH den Deutschen Nachhaltigkeitspreis. „Es verbreitet sich wie ein Lauffeuer“, freut sich Vollmer. Die Gründung von Zukunftsweine betrachtet sie als ihren größten Erfolg, „weil er der gesamten Weinbranche hilft.“

Sensorische Vielfalt

Es macht Spaß Eva Vollmer zuzuhören, sie spricht ebenso ungekünstelt wie ausdrucksvoll, kommt ebenso humorvoll wie charmant rüber. „Sinnlichkeit mit Augenzwinkern“, nennt sie das. So sind auch ihre Weine, „Verflüssigte Eva!“ wie sie scherzhaft sagt. –  Vollmer legt Wert auf sensorische Vielfalt und klare, freie, spaßgetriebene Strukturen mit Tiefgang: „ … dass selbst der leichte Sommerwein kreative Highlights setzt und alles auf die Bühne bringt, was der Moment verlangt.“ Wie sie erzählt, spielt sie insbesondere mit dem Terroir und arbeitet die Kalkböden, auf dem ihre Reben wachsen, aufs Feinste heraus.

Wer die kreative und selbstbewusste Winzerin live erleben möchte am besten gleich zusammen mit ihrem verflüssigten Pendant, kann sie in der Kostbar auf ihrem Weingut in Mainz-Ebersheim treffen oder im Internet bei der nächsten Online-Weinprobe. Inspiration garantiert!