Ein Beitrag von
Sylvia Kopp
Autorin, Trainerin, Beraterin
women4beverages
Mit ihrem Startup-Weingut Wasem Doppelstück reihen sich Julia und Marie Wasem in die vielversprechende Generation junger Winzerinnen ein. Bei ihren Weinen legen sie Wert auf Qualität und Feinsinnigkeit. Seit 2022 sind sogar bio-zertifiziert.
Veröffentlicht am 16/06/2023Aktualisiert am 15/07/2024
Ein Beitrag von
Sylvia Kopp
Autorin, Trainerin, Beraterin
Es ist Frühling, das Wetter hat umgeschlagen, es soll trocken bleiben. Julia Wasem kommt direkt vom Weinberg. Seit vier Uhr in der Früh hat sie Rebstöcke bearbeitet. Das hat Vorrang, die Natur wartet nicht. Die 24-Jährige ist Außenbereichsleiterin des Weinguts Wasem Doppelstück in Ingelheim. Ihre Schwester Marie Wasem leitet die Events und führt die Geschäfte des Betriebes, der den 22-Hektar großen Weinbau, eine Vinothek, ein Weinhotel und ein Veranstaltungsprogramm umfasst. Gemeinsam mit ihren Eltern Ilona und Burkhard Wasem haben die beiden 2019 das Weingut gegründet. Zwei Schwestern, zwei Generationen: ein Doppelstück im Quadrat!
„Wir haben klein und überraschend angefangen“, erzählt Marie Wasem. Eigentlich wollte die 28-Jährige nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre eine Karriere im Controlling und Personalwesen bei größeren Unternehmen starten. Auch Julia hatte sich ursprünglich auf einen anderen Beruf ausgerichtet, bis das Leben anders spielte. Zugegeben, so ganz abwegig ist die Sache mit dem Weinbau nicht. Wenn man in Ingelheim am Rhein aufwächst, hat man ihn in der DNA: Mutter Ilona Wasem hat ursprünglich Winzerin gelernt. Vater Burkhard Wasem war langjähriger Außenbetriebsleiter an einem anderen Weingut. „Dort habe ich das aller erste Mal im Herbst bei der Ernte mitgeholfen“, so Julia Wasem, „das fand ich sehr spannend und beeindruckend.“ Daraufhin absolvierte sie ein Praktikum in einem Weinlabor und ein weiteres in der Weinprämierung, wo Weine getestet, bewertet und sensorisch beschrieben werden, und lernte peu à peu die Branche kennen.
Schließlich bekam sie Einblick in ein langjährig bestehendes Bio-Weingut. „Das hat mich inspiriert, so etwas selbst zu gründen und meine eigenen Weine entsprechend herzustellen“, so Julia Wasem. Ganz schön selbstbewusst! Sie liebt ihren Beruf: „Man sieht die Rebe aufwachsen vom Jungfeld bis zum alten Weinberg und die gesamte Arbeit, die man reinsteckt“, sagt sie, „ich finde es großartig, dass man nach einem Jahr harter Arbeit ein Produkt hat, das man zu hundert Prozent selbst kreiert hat.“ Auch ihre Schwester begeisterte sich schnell für die Neugründung. Marie Wasem: „Ich bin sehr ambitioniert. Mich reizt die Verantwortung und auch das Risiko, etwas Eigenes zu schaffen. Das treibt mich jeden Tag an.“ Das Weinhotel, das Mutter Ilona Wasem bereits seit 2002 führt, hat sich nahtlos in die Neugründung eingefügt.
Doppelstück fokussiert auf Riesling und Burgunderweine aus verschiedenen Lagen an zwei Orten. Die Ingelheimer Lagen sind generell wärmer. Von hier stammen die Rotweine und der Grauburgunder. Die Elsheimer Lagen zeichnen sich durch besondere Böden aus. Die Weine von dort sind mineralischer. „Man muss nicht alles machen, was gerade angesagt ist“, sagt Marie in Anspielung auf wilde Weine, „es ist uns wichtiger, dass wir Weine erschaffen, die das ins Glas bringen, was wir mit unserem Handwerk zeigen möchten.“ Neben dem Anbau ist Julia auch für die Kellerarbeit zuständig – unterstützt vom Vater, der „die nötige Erfahrung und Finesse“ einbringt. Sie betont: „Wir lieben es feinsinnig und gradlinig mit eleganter Säure. Gerade mit Säure kann man unfassbar schöne Weine gestalten.“ Bei der Endabnahme vor Abfüllung dürfen alle Mitarbeiter mitverkosten. Dabei zählt das Wort von Marie genau so viel wie das von Kellermeisterin Julia. Denn die Geschäftsführerin arbeitet im Verkauf und mit ihren Tastings nah am Kunden und weiß, was sich im Doppelstück-Sortiment darstellen lässt und was nicht. Ihren Hauptabsatz finden die Doppelstück Weine im Weinhotel. Bis zu 80.000 Flaschen werden dort alljährlich verkauft.
Mit ihrem Weingut reihen sich Julia und Marie Wasem in die vielversprechende Generation junger Winzerinnen ein. Zwar sind die Frauen in der Branche immer noch in der Minderheit – ihren Anteil unter den selbständigen Winzern schätzt Marie Wasem auf 15 bis 20 Prozent, so lässt sich doch feststellen: „Es hat in den vergangenen Jahren ein großes Umdenken stattgefunden“, sagt Julia Wasem. Während viele Weingüter früher vor allem unter dem Namen des Vaters und mit dem Zusatz „und Söhne“ firmierten, gebe es immer mehr Frauen die Wein machen, auch in der Betriebsnachfolge. So liegt beispielsweise das Bio-Weingut der Vorreiterin Eva Vollmer nur fünfzehn Minuten entfernt von Ingelheim.
Mit ihrer Schwesternwirtschaft treffen die Wasems in eine Marktlücke. „90 Prozent unserer Kunden und Gäste im Hotel sind Frauen“, so Marie. Es sind vor allem Kleingruppen um die zehn Personen, die hier einchecken, zum Beispiel um den Abschied aus dem „Junggesellinnendasein“ zu feiern. Das Veranstaltungsprogramm ist wie gemacht für diesen Anlass: Yoga, Lettering, Macramé – und alles mit Weinbegleitung. Die Idee hat die Lockdown-Krise hervorgebracht. Als die Regelungen nur Kleingruppentreffen erlaubten, haben die Wasems ihr Veranstaltungsprogramm daraufhin ausgerichtet. „Manchmal verirrt sich auch eine Männergruppe zu uns“, merkt Marie an.
Interessanterweise schlägt sich die weibliche Handschrift auch bei den Mitarbeitern nieder. „Wir haben eine hohe Quote an weiblichen Bewerbern“, so Marie. Ein weiblich geprägtes Umfeld sei für viele Frauen attraktiver, weil sie dann nicht das Gefühl haben müssten, in die Ecke gestellt zu werden nach dem Motto: „Na, du wirst ja früher oder später sowieso wegen Mutterschaft ausfallen.“ Marie Wasem betont: „Bei uns können sich alle entfalten.“ Es sei herzlicher und feinfühliger als in männlich geführten Betrieben. „Mir ist wichtig, dass alle happy sind. Denn der Erfolg unseres Betriebes steht und fällt mit dem Team“, sagt sie. So sorgt sie dafür, dass das Umfeld und der Umgang stimmen. „Das hier ist unser Baby, es liegt in unserer Hand, wie wir es gestalten“, sagt Marie Wasem, „und zugleich haben wir eben auch keine Wahl, denn wir können nicht nach einiger Zeit einfach wechseln, weil die Balance nicht stimmt.“
Und so lautet das Ziel nach den Anfängen mit dem Aufbau des Gutes und der Betriebsstätte nun Struktur in das 30-köpfige Team zu bringen, einen effizienten Workflow zu implementieren sowie den Vertrieb an Großkunden allmählich auszubauen. – Na hoffentlich! Dann können wir uns auch überregional über die guten Tropfen von Wasem Doppelstück freuen. Viel Erfolg!
Brauerin, Landwirtin, kreative Unternehmerin
Ein Beitrag von Sylvia Kopp
Craft Beer
Ein Beitrag von Sylvia Kopp