Ein Beitrag von
Nina Anika Klotz
freie Autorin
Mit Kolonne Null krempeln zwei Berliner Gründer den bisher eher drögen Markt alkoholfreier Weine um. Sie bedienen damit den Megatrend alkoholfrei und treffen den Zeitgeist der Konsumenten. Doch wie bleibt das Aroma im Wein? Nina Anika Klotz hat nachgefragt.
Veröffentlicht am 15/04/2021Aktualisiert am 09/07/2024
Ein Beitrag von
Nina Anika Klotz
freie Autorin
Moritz Zyrewitz und Philipp Roessle von Kolonne Null
Eigentlich seien sie zu Beginn auf so ziemlich jede Form der Ablehnung gestoßen, erzählen Moritz Zyrewitz und Philipp Rößle. Winzer wie Weinhändler haben sie ausgelacht, nicht ernst genommen, für verrückt erklärt. Und immer wieder die Frage gestellt: Warum? Warum zur Hölle sollte man einen Wein ohne Alkohol machen? Warum sollte man so etwas verkaufen?
Ja nun. Aus dem Grund, aus dem man jedes erdenkliche Produkt der Welt macht und verkauft: Weil die Kunden das wollen. Alkoholfrei ist ein Megatrend. In der Bier- und Getränkebranche ist das bekannt. Low und No Alcohol trifft den Zeitgeist. Deshalb wächst das Segment der alkoholfreien Biere schon lang und deshalb gibt es seit ein paar Jahren überhaupt so etwas wie alkoholfreie Spirituosen.
„Was es aber im Bereich alkoholfreier Weine gab, war erschreckend unspektakulär oder sogar ungenießbar“, erzählt Philipp Rößle, wenn er an die Anfänge von Kolonne Null zurückdenkt.
Er und Moritz Zyrewitz kennen sich seit einem guten Jahrzehnt, während dem sie sich immer mal wieder nach einer durchzechten Nacht bei einer Aspirin am Morgen begegneten. Irgendwann begannen sie bei so einer morgendlichen Begegnung über Alternativen nachzudenken. Alternativen, mit denen man sich auf den schnieken Abendveranstaltungen gut sehen lassen konnte, die man tatsächlich gern im Glas und in der Hand hielt.
Alternativen zum Alkohol, aber eben auch zu Partypooper-Mineralwasser und Boringboring-Apfelschorle. Hochwertig sollte es sein. Irgendwie edel. Gereift vielleicht sogar. Erst hatten sie ayurvedische Gewürzwasser im Sinn – dann aber eigentlich doch eher: Wein!
„Es geht nicht darum, das identisch schmeckende Substitut zu schaffen. Wir machen etwas, das aus Wein gemacht und in gewisser Weise auch ein Wein ist. Es wird zu den gleichen Anlässen wie Wein getrunken, nämlich als Essensbegleitung und zum Anstoßen bei Hochzeiten, Geburtstagen und so weiter.
Auch bei alkoholfreien Weinen kann man die Charakteristik unterschiedlicher Rebsorten und Anbaugebiete herausschmecken, aber es ist trotzdem ein neues Getränk und Geschmackserlebnis“, erklärt Rößle die Produkte von Kolonne Null.
Das Portfolio des Berliner Unternehmens besteht mittlerweile aus drei Weinen und zwei prickelnden „Sektvarianten“, darunter ein Riesling, ein Burgunder, ein Rosé und eine Rotwein-Cuvée. Der Topseller ist mit nur knappem Vorsprung der Rosé „Sekt“. „Den lieben irgendwie alle“, sagt Rößle.
Die Berliner kreieren die alkoholfreien Weine in Co-Produktion mit prämierten Familienweingütern. Im Portfolio sind Weine von der Nahe, der Mosel, aus dem österreichischen Weinviertel, aus der französischen Provence oder aus Spanien. Für die Auswahl der Weine ist die Qualität und die enge Zusammenarbeit mit den Winzern ausschlaggebend.
2019 haben Rößle und Zyrewitz mit einem Winzer 500 Flaschen alkoholfreien Wein produziert und sich damit auf Berliner Wochenmärkte gestellt. Marktreife testen, quasi, ganz nah am Kunden. Und: Das Thema kam an.
Philipp Roessle vor der Entalkoholisierungsanlage von Kolonne Null
Für die Produktion ihrer alkoholfreien Weine kaufen sie fertigen Wein beim Winzer. Bei namhaften Winzern, auf prämierten Weingütern. Deren Namen finden sich auf den Flaschen der alkoholfreien Kolonne Null Weinen dann auch wieder.
Schnell stellten Rößle und Zyrewitz fest: Nicht jeder Wein eignet sich zur Entalkoholisierung. Immerhin – weithin bekannt – bindet Alkohol Aromen, kann Fehltöne überdecken oder Gutes hervorheben.
Bei manchen Rebsorten schmeckt das entalkoholisierte Ergebnis besser, bei anderen schlechter. „Das ist allerdings so unterschiedlich, dass man gar nicht pauschal sagen kann, welche das sind“, so Rößle.
Ja, Aromarebsorten wie etwa Muskateller oder Gewürztraminer haben den Vorteil, dass ihre besonders prägnanten Noten auch nach der Entalkoholisierung klar zu schmecken sind.
Schmelzige Burgundersorten aus dem Süden schaffen es ihre Cremigkeit zu bewahren. Oder auch die Charakterstärke mit Säure und dem Mineralischen eines Rieslings ist gut, weil sie in einer alkoholfreien Variante für Wiedererkennung sorgt.
Allerdings fügt Rößle an: Der Riesling des einen Winzers mag ohne Alkohol super schmecken, der des anderen nicht. Und auch Ernten unterscheiden sich: Der Wein, der im einen Jahr noch bestens funktioniert hat, bringt im nächsten nach der Entalkoholisierung einen Fehlton daher.
„Inzwischen setzen wir uns im Idealfall schon vor der Ernte mit den Winzern zusammen und überlegen, welche ihrer Weine wir wie ausbauen, um daraus einen besonders ansprechenden alkoholfreien Wein zu machen“, sagt er. „Woran das jeweils genau liegt, das versucht unser Laborteam mit verschiedenen Instituten und Forschungseinrichtungen herauszufinden. Aber letztendlich ist es halt so: Wein ist ein Naturprodukt und das fällt jedes Jahr anders aus.“
Nicht natürlich ist hingegen der Prozess des Entalkoholisierens, den Kolonne Null stetig für sich weiterentwickelt. Im Grunde setzt das junge Unternehmen auf Vakuum-Destillation. „Man kann sich das wie eine klassische Destillation in der Schnapsbrennerei vorstellen“, erklärt Moritz Zyrewitz. „Da wird der Wein auf etwa 70 Grad erhitzt, der Alkohol verdampft. So funktioniert auch die Vakuum-Destillation, nur dass hier die Temperatur bei 30 bis 35 Grad liegt. Der Prozess verläuft schonender.
Beim Schnapsbrennen will ich ja, dass möglichst viele Aromen im Alkohol sind, der ausdampft, und möglichst wenige in der zurückbleibenden Flüssigkeit. Wir hingegen wollen das Gegenteil. Wir wollen, dass der Alkohol rausgeht aber möglichst viel Aroma im Wein zurückbleibt.“
Das Duo hat dafür Entalkoholisierungsanlagen in Spanien und Kalifornien angeschaut, Tests an unterschiedlichen Forschungseinrichtungen unternommen und sich auf diversen Anlagen verschiedener Anbieter in Deutschland eingemietet.
„Schließlich haben wir uns sogar im Sommer 2020 eine eigene Anlage gemietet und zusammen mit Winzern und zwei Universitäten über 20 Weine zum Text entalkoholisiert und somit unsere ersten eigenen Produkte gemacht“, erzählt Moritz Zyrewitz.
„Es ist unser ganz klares Bekenntnis: Wir sind keine Marketing- und Vertriebsbutze. Wir wollen in diese Techniktiefe“, sagt Philipp Rößle. „Unser erster Mitarbeiter war ein Getränketechnologe. Das Produktteam hat drei Leute – bei in Summe 20 Mitarbeitern.“
„Wir wollen in Technologie investieren um sie zu ownen“, ergänzt sein Kompagnon Zyrewitz. „Allerdings kostete eine Anlage, wie sie uns vorschwebt, zwei bis drei Millionen Euro und ist damit für eine junge Firma nicht direkt erschwinglich.“
Aber sie ist das erklärte mittelfristige Ziel, das ein bisschen auch nach einem Traum klingt: Idealerweise möchte Kolonne Null einen Stammsitz vor den Toren Berlins aufbauen – „denn dort muss man ja hin, wenn man auch ein paar Weinberge besitzen möchte.“
Es sollte ähnlich einem französischen Champagnerhaus sein, mit eigener Produktionsstätte, Labor und Forschung und Gastronomie. „Wir träumen davon, ein erfolgreicher Mittelständler im Wein- bzw. Getränkebereich zu werden“, sagen die Start-up-Gründer.
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